Herr Kölle, deutsche Gerichte prüfen, ob mit dem Begriff klimaneutral Verbraucher getäuscht werden. Welche Kriterien setzen Sie für „ZNU goes Zero“ an?
In unserem Fokus steht die Vermeidung und Verminderung der Scope 1 und 2- CO2-Emissionen. Die darüber hinaus stattfindende Kompensation bezieht sich nur auf die noch unvermeidbaren Emissionen. Wichtig ist, dass die Kompensation durch hochwertige Zertifikate, wie sie der Gold Standard vorsieht, erfolgt und durch die Projekte auch noch andere Mehrwerte für die Biodiversität vor Ort oder die heimische Bevölkerung entstehen.
Ist eine Produktion von Lebensmitteln in Deutschland überhaupt ohne CO2-Ausstoß machbar?
Realistisch gesehen, wird dies bei Beibehaltung des derzeitigen Konsumverhaltens und der momentanen Geschwindigkeit politischer Genehmigungsverfahren schwierig werden. Es wird auf die Geschwindigkeit der Energiewende ankommen. Werden wir in energieintensiven Industrien zukünftig Wasserstoff statt Erdgas einsetzen können? Können wir andere Sektoren wie Verkehr und Gebäude, elektrifizieren? Welche Möglichkeiten gibt es, aufgefangenes CO2 als Rohstoff für neue Produkte zu nutzen? Unsere Partnerunternehmen wollen vorangehen, stehen aber vor den genannten Hürden.
Wie sinnvoll ist das Aufforsten zum Beispiel in Deutschland?
Grundsätzlich ist das Wiederaufforsten von Waldflächen ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz. Die nationalen Klimaziele Deutschlands werden ohne einen gesunden Wald als CO2-Senke nicht möglich sein. Der deutsche Wald erfährt die Auswirkungen des Klimawandels, die Trockenheit setzt den Bäumen zu. Ein sinnvoller Umbau des Waldes unter Einsatz trockenresistenterer Bäume ist somit zielführend.
Wie schätzen Sie die Potenziale einer weiteren Reduktion ein?
Wir sehen bei unseren Unternehmen, wie Bitburger, Develey, Ritter Sport oder Krombacher vielversprechende Ansätze, ihre Energiebedarfe durch individuelle Projekte mit erneuerbaren Energien zu decken. Mit der Systematik des ZNU-Standard, der die kontinuierliche Verbesserung im Fokus hat, sehen wir noch große Potenziale.
Alle Konzerne wollen ihren Footprint reduzieren und dafür werben. Erwarten Sie einen Einbruch, wenn man nicht mehr werben darf?
Es bestehen politische Anreize und Pflichten, als Unternehmen seine Emissionen zu verringern, zum Beispiel der CO2-Preis. Auch künftig wird es Möglichkeiten geben, als Unternehmen seine individuellen Klimaschutzbemühungen bewerben zu dürfen. Diese werden vermutlich aber sachlicher und ausführlicher ausfallen, als bisher.
Autor: Bernd Biehl/lz 34-23