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Klimaschutz wird business-relevant

Die grüne Transformation wird zunehmend zur grünen Disruption. Der Wandel zur klimaneutralen Wirtschaft beschleunigt sich. Welche betriebswirtschaftlichen Gründe es für unternehmerischen Klimaschutz gibt, erläutert Experte Dr. Axel Kölle.

Herr Kölle, unternehmerischer Klimaschutz wird vielfach noch als Kostenfaktor gesehen. Doch ist es nicht so, dass er sich inzwischen rentiert?
Dr. Axel Kölle: Ein klares Ja! Unternehmerischer Klimaschutz als Teil eines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatzes lohnt sich. Vor der  gesamtpolitischen Situation erst recht. Die Preise für fossile Energie
steigen so rasant, dass es sich nun noch schneller rentiert, in  energieeffiziente Prozesse und erneuerbare Energieträger zu  investieren. Der Ukraine-Krieg beschleunigt alles. Es ist  bemerkenswert, welche Dynamik es bei der Nachfrage nach grünen Technologien nun gibt.

Wobei vor der erneuerbaren Energie das Energiesparen kommen sollte.
Kölle: Das ist das A und O. Das rufen wir als ZNU raus in die Welt.  CO2-Emissionen, die nicht entstehen, sind die besten Emissionen. Außerdem: Für die Unternehmen ist Energieeffizienz ein  hochattraktives Thema. Denn sie schützt nicht nur das Klima, sondern  spart auch Kosten. Klimaschutz und ökonomische Ziele gehen hier  Hand in Hand.

Ist Klimaschutz denn inzwischen frei von ökonomischen  Zielkonflikten?
Kölle: Nein, komplett frei sicherlich nicht. Aber Projekte, die man vor fünf Jahren aus Kostengründen noch in der Schublade gelassen hätte,
die rechnen sich inzwischen. Ich gebe Ihnen dafür das Beispiel der Kompensation unvermeidbarer Emissionen. Wenn ich diese in meine interne Kostenrechnung einpreise, dann reduzieren sich  Amortisationszeiten beträchtlich und die vielleicht teurere, aber  energieeffizientere Anlage kann angeschafft werden. Das ist ein toller  betriebswirtschaftlicher Hebel. 

Am Markt sehen wir rasant steigende Preise für Kompensationszertifikate. Für Unternehmen wird es damit teurer, Emissionen zu kompensieren. Schließt sich das Fenster, in dem man
seine CO2-Bilanz auf diesem Weg verbessern konnte?

Kölle: Der Markt für Emissionszertifikate ist ein wilder Markt. Wie bei
allen vergleichsweise jungen Märkten verändert er sich relativ rasch. Zum Beispiel gibt es derzeit eine zunehmende Bereinigung bei den Zertifikaten. Einige Unternehmen haben sich vor Jahren mit großen Mengen Emissionsrechten eingedeckt. Das war ja durchaus klug.  Jedoch sind die Projekte dahinter, mit denen diese CO2-Mengen gebunden wurden, zum Teil schon vor mehr als zehn Jahren  ausgelaufen. Die Anerkennung dieser alten Zertifikate wird  zunehmend schwierig. Das führt zu einer Verknappung am Markt.

Grundsätzlich sind Kompensationsprojekte sowieso nicht beliebig ausbaubar. Irgendwann sind die Kohleöfen in Afrika durch  Elektrokocher ersetzt. Das heißt: Der Zertifikatemarkt ist endlich. Was bedeutet das für die Preise?
Kölle: Es ist völlig klar, dass sich die Zertifikate über die nächsten Jahre immer weiter verteuern werden. Zumal es noch einen anderen Faktor gibt: Die Schwellenländer wollen perspektivisch die  Kompensationsprojekte zunehmend ihrer eigenen Klimabilanz  gutschreiben und nicht mehr an die Industrieländer verkaufen. Sie  können sich vorstellen, was das bedeutet: Dann wird das Angebot  noch knapper. Die Verdrei- bis Vervierfachung der Preise in den  vergangenen zwei Jahren war dafür nur ein Vorbote. Alles marschiert rasant nach oben.

Das heißt, wer früh in den Klimaschutz eingestiegen ist und Emissionen gesenkt hat, ist gegenüber Unternehmen, die noch viele Emissionszertifikate kaufen müssen, bereits im Vorteil.
Kölle: Das ist so. Man muss aber stets betonen, dass es sich hier ja immer noch um freiwillige Maßnahmen der Unternehmen handelt. Hier zeigen viele Unternehmen wirklich Engagement.

Ist dem wirklich so? Wenn Großkonzerne oder der Handel von den Zulieferern erwarten, dass sie Klimaschutz machen, und Banken bei der Kreditvergabe zunehmend auf das Thema achten werden, dann ist es doch mit der Freiwilligkeit nicht mehr weit her.
Kölle: Das sind Entwicklungen, die sich in der Tat immer stärker  akzentuieren. Auch die Konsumentinnen und Konsumenten achten  verstärkt auf klimaneutrale Produkte. Von daher plädieren wir als  ZNU stets für ein gemeinsames Herangehen und damit verbunden   auch für eine Verteilung der Kosten auf mehrere Schultern.  Außerdem: Auch bei den Beschäftigten und in  Bewerbungsgesprächen wird das Thema zunehmend relevanter, gerade bei den High-Potentials, um die sich die Unternehmen  streiten. Geschäftsführer sagen mir: Es ist erstaunlich, wie oft die Klimafrage inzwischen in Vorstellungsgesprächen gestellt wird.  Klimaschutz wird Businessrelevant.

Studien bei börsennotierten Unternehmen zeigen, dass nachhaltig gemanagte Unternehmen mindestens genauso erfolgreich sind wie die herkömmliche Konkurrenz – wenn nicht erfolgreicher. Warum macht Nachhaltigkeit wirtschaftlich erfolgreich?
Kölle: Nachhaltigkeit und speziell auch Klimaschutz sind eine Form der Innovation. Innovation findet auf Prozessebene statt, wenn es darum geht, effizienter zu werden und Energie zu sparen. Sie schlägt sich aber auch zunehmend bei den Produkten nieder, die für eine grüne Zukunft entwickelt werden. Das strategische Überdenken und Überprüfen aller Unternehmensteile, wie wir es mit unserem ZNU-Standard vorschlagen, hat häufig betriebswirtschaftlich positive Effekte. Aus  diesen Gründen ist bei den Vorreitern dieser Entwicklung Nachhaltigkeit inzwischen ein cooles Thema, es ist ein Lifestyle, es ist innovativ und macht Spaß. Die Leute brennen für das Thema in den Unternehmen. Und es rechnet sich auch noch, wie wunderbar ist das  denn!? | afz 36/2023

Autor: Daniel Baumann